Sonntag, 26. Juni 2011

Zu viel oder zu wenig

Wir haben uns so auf den Wind gefreut, aber das war zuviel. Das heisst, eigentlich nicht, sondern halt 6-7 bft bei knapp 3 Meter Welle und genau gegen an bei Nacht. Die Logge zeigte trotz Motorunterstützung öfter nur 2-3 Knoten Geschwindigkeit an. So haben wir heute früh den ersten Hafen angesteuert, der sich sozusagen am Fussballen anbot: Roccella Jonica. 38° 19.534 N, 18°25.831 E. Es gibt hier wenig Auswahl, aber dieser ist ganz gut.
Wie sagte doch einer der Segel-Gurus, ich glaube Bobby Schenk: Das Mittelmeer ist ein sch....ss Segelrevier, entweder zu viel oder kaum Wind, und im Winter zu kalt zum Überwintern, im Sommer zu heiss, um es genießen zu können.
Naja, unser Problem war eigentlich auch nicht "zu viel Wind", das 2. Reff hatten wir schon für die Nacht vorsichtshalber gebunden, sondern wir mussten Diesel nachtanken, weil der Golfo Di Squillace und der Weg rüber zur Ferse Richtung Osten nach Crotone (unser nächster geplanter Zwischenstop) als nicht ganz harmlos gilt. Man soll nicht den kürzsten Weg nehmen, sonder einen leichten nördlichen Bogen in den Golf fahren, weil dort wesentlich weniger Strömung sei. Und da wir gerade aus Nordost den Wind auf die Nase haben, ist es nicht verkehrt, die Tanks voll zu haben. Ja, und genau das war dann der Grund für eine kleine Katastrophe: Es gab keine Tankstelle, sondern ein Tankschiff, das 2 Schläuche zusammen gesteckt hat, um uns zu befüllen. Als unser Tank voll war und die Zapfpistole einschnappte, passierte es: Der Druck lies die Beiden Schläuche an ihrer Verbindung "platzen" und das ganze Cockpit spritzte voller DIesel. So hatten wir das Ölen des Teakbodens nicht geplant.
Der Grund, warum wir aber eigentlich hier halt gemacht hatten, war ein Problem mit dem sündhaft teuren Raymarine-Plotter, bzw. eigentlich mit seiner elektronischen Seekarte auf einem Chip, den er nicht mehr anerkennen wollte. Zum Glück habe ich ja auf meinem MacBook Pro immer noch die wunderbare Software OpenCPN mit Windows 7.0 (unter Parallels Desktop) laufen, so dass wir auch mit iPhone-Unterstützung am Steuerstand sicher in den schwer ansteuerbaren Hafen kamen. Nach einigem Hin-und Herbiegen der Kontakte auf der CF-Karte und mehreren "chirurgischen Eingriffen von Peter, der wie ein Zahnarzt beim Entfernen von Zahnstein aussah mit entsprechendem speziell angefertigtem Werkzeug, funktioniert der Plotter wieder. Es liest sich wie eine Reparaturliste, was nicht meine Absicht ist, denn mit etwas mehr positivem Denken lässt sich auch Schönes finden und immerhin funktioniert doch auch Einiges. Dennoch kann ich verstehen, dass Peter manchmal gleich mehrere Teufel an die Wand malt, die dann möglicherweise auch zur Stelle sind, wenn sie gerufen werden....



Ein großer Sandstrand säumt den Küstenstreifen hinter der Marina, die großen Wellen und rollender Kies machen das Baden heute zwar unmöglich. Erfrischung ist aber bei dem Wind auch nicht so nötig, wie sonst. Gegen Nachmittag lässt die Welle vielleicht etwas nach und ich kann doch das türkisgrüne Wasser noch mal genießen. Ich muss auch noch mal darüber nachdenken, was genau eigentlich das Schöne am Fahrtensegeln ist, und warum ich heute bei meiner Hundewache von 1 bis 4 Uhr nachts "die Schnautze voll hatte" vom Knallen des Schiffes. Auf jeden Fall bin ich überhaupt kein Freund davon, mit Maschinenunterstützung gegen die Welle anzudonnern. Ein Kurs Richtung Korfu wäre heute Nacht prima zu segeln gewesen, hätte uns aber aus dem Zeitplan geworfen, weil falsche Richtung. Und das ist das Problem Nr. 1, aus dem allein heraus übrigens die meisten seglerischen Probleme entstehen. Wir haben viel Zeit verloren in Trapani wegen der Schiffsschraube und müssen jetzt voran kommen. Der andere Punkt ist die Tatsache, dass man sich verrückt macht, wenn man nur auf die zu reparierenden Dinge fokussiert ist, statt einfach mal etwas liegen zu lassen (wenn möglich), die Umgebung zu genießen und dann nach dem Ankommen und Frühstücken mal mit dem Reparieren beginnt. Wenn man ein 150%-iger ist, kann das Seglerleben die Hölle sein. Damit plädiere ich nicht für schlechte Seemannschaft, sondern alles zu seiner Zeit zu erledigen, die Zeit dafür zu nehmen. Schlechte Laune statt dessen macht so viel kaputt, demotiviert die Crew und dann potenzieren sich Probleme oder es werden Fehler gemacht. Ja, bitte erinnert mich daran, wenn ihr mit mir segelt...

Nun werde ich mal den Nachtschlaf nachholen. Immerhin ist es hier ruhig im Hafen, der sonst ziemlich herunter gekommen wirkt. Erstaunlich, wie viel Ende Juni noch geschlossen ist. Dieses morbide Verlassensein hat einen abstoßenden Reiz