Donnerstag, 6. September 2012

Marzamemi - am Ende der Welt

Obwohl heute die in die gleiche Richtung segelnden alten Hasen alle im Hafen Siracusa geblieben sind, haben wir unseren ganzen Mut zusammen genommen und sind aufgebrochen nach Marzamemi. Der angekündigte Westwind versprach einen guten Halbwindkurs. Nur die 1,90m vorhergesagte Welle war nicht so toll, aber von der Seite gehts....  Ja, und was dann tatsächlich eintrat, war ein Südostwind, also wieder gegenan kreuzen, dafür aber nur eine max. 1m hohe Welle. Nach ein paar Stunden drehte der Wind dann auf West, und wurde wieder ein 6 Bft, in Böen deutlich mehr, weiss nicht wie viel. Es war böiges, aber gutes Segeln mit 9-10 Knoten trotz Reff, aber auch wieder Angst im Nacken, wie das Anlegen wird. Ankern geht wie gesagt hier nicht, und die Marinas sind ganz und gar nicht mit dem Service in Kroatien zu vergleichen. Das Anlegen hat aber gut geklappt, wir sind wirklich inzwischen perfekt eingespielt aufeinander. Die Umgebung ist ein gottverlassenes Dorf. Viel Müll und karge, staubtrockene Flächen in flimmerndem, gleißendem Licht, nicht zu Ende gebaute Häuser, ein paar gestrandete, nicht geborgene Schiffe im und am Hafen. Dass Sizilien auch zur EU gehört... Was uns immer wieder sehr positiv auffällt ist die Freundlichkeit der Menschen. Sie helfen nach ihren Möglichkeiten wo es geht.
Die wenig ansprechende Umgebung verführt nicht gerade zu Erkundungen des Dorfes. Dafür zum Nachdenken. Ja, ich habe mir Sizilien insgesamt anders vorgestellt, lieblicher, den Süden zumindest ohne die gewaltigen Berge der Nordküste. In Kroatien hatte ich über die beispiellose Geschäftstüchtigkeit gelästert und das insgesamt sehr sehr hohe Preisniveau. Hier komme ich manchmal ins Grübeln oder muss wirklich sagen, dass ich unser deutsches Ländle mittlerweile mit ganz anderen Augen sehe. Nicht nur im Vergleich, denn hier gibt es die liebenswerten Menschen, sondern was die Germanen so aufgebaut haben - auf Kosten der Leichtigkeit und Lebensfreude. Man kann "den Deutschen" auch auf den Schiffen eindeutig erkennen, ohne Landesflagge. Egal, ich bin auch so einer, nur brauner, werde daher gelegentlich für einen Südländer gehalten. Im Kopf bin ich aber deutsch, und darauf manchmal stolz, manchmal nicht, weil ich zu viel denke, statt zu leben. Ich kann es auch nicht ändern, will es auch nicht bewerten, ob es gut oder schlecht ist, nachdenklich zu sein. Während der Segelei ist der Verstand absolut ausgeschaltet, da bin ich ganz bei der Sache, eins mit dem Schiff. Nach dem Anlegen fällt dann eine solche Müdigkeit über mich her, und der Kopf fängt wieder an zu fragen, ob mich das jetzt glücklich gemacht hat, warum ich das tue, was mir gefällt und was nicht. Manchmal bin ich so voller Eindrücke, dass ich gar nichts Neues mehr sehen will. Dann verstehe ich die vielen alten Salzbuckel, die halt auch mal 10 Tage an einem Ort bleiben. Ich überlege, ob ich das auch noch mal im Mittelmeer "von Vorne" beginne, also ohne den Zeitdruck, weil wir zu spät dieses Jahr losgekommen sind. Ich wollte halt unbedingt 2012 los, auch wenn das ganze Frühjahr mit Wichtigerem gefüllt war. Aber darüber denke ich erst mal weiter nach, bevor ich darüber schreibe. Wieviel hat mein Glück überhaupt mit der Außenwelt zu tun? Ist es am Ende egal, ob ich segle oder nicht? Gibt es eine Balance zwischen außen sehen und innen sehen?  Naja, zumindest bin ich vom Wetter abhängig. Das Leben auf dem Schiff ist sehr materiell und wenig meditativ, weil lauter als ihr denkt. Und immer ist irgendetwas zu tun, den ganzen Tag. Aber es bleibt eine faszinierende Idee, autak zu leben. Unsere Wasser- und Strombilanz funktioniert hervorragend. Immerhin !!