Mittwoch, 31. Juli 2013

wer bin ich wo und wenn ja warum

Es hat die letzten Tage viel geregnet und ich bin immer noch beschäftigt damit, mich wieder zu finden on the hard, auf dem Land. Alles ist weiter, größer, schneller, lauter, aber nicht mehr, eher weniger. Das Wasser aus den Plastikflaschen schmeckt nicht, wir holen es uns immer noch vom Wassermacher an Bord.
Das Leben auf dem Atlantik war etwas Anderes, eine Ausnahme. Wir haben alles zusammen gemacht, hatten unsere kleine, überschaubare Welt in den gechützen Kojen. Drei Wochen um nichts kuemmern, außer ums Schiff, essen, was an Bord ist oder gefangen wurde. Das ist nicht das wahre Leben. Wir hatten uns wenig Gedanken gemacht um die Zukunft, uns vor Auseinandersetzung verschont. Erst jetzt wird vieles verdaut, weil wir nicht mehr von einem Adrenalinkick zum nächsten segeln, sondern reflektieren. Die Insel Cape Breton lädt dazu ein. Aber sie macht es dir nicht leicht wie die Karibik. Es ist ein ganz anderer, tiefer Zauber. Du kannst den Grund nicht sehen, obwohl das Wasser so sauber ist. Ich muss lernen, dem Anker zu trauen, auch wenn ich ihn nicht sehe. Vertrauen, an eine Zukunft glauben, auch ohne neue Adrenalinkicks. Unsere Koelner Freunde fangen morgen wieder auf ihrer Arbeitsstelle an, andere suchen ihren Kick in noch spektakuläreren Regionen auf der Jagd nach Multimedia geeignetem Material. Ich kann nun keine Eisberge oder Südpazifikbilder zeigen, bin hier dennoch genau richtig, auch wenn ich Gegenwart und Zukunft noch nicht ganz ausbalanciert bekomme.

Heute Nacht kommt mein Sohn mit Freundin und deren Eltern für drei Wochen ins Haus, und unsere Jüngste ist auch eine Weile noch bei uns. Sind wir noch kompatibel für so viele Menschen, die hier "nur" Urlaub machen, während wir als Permanent Residents mehr Zeit haben, in der Natur zu SEIN, statt viel in kurzer Zeit sehen zu wollen? Ich freue mich auf viel Familie. Es erdet, zeigt uns wieder, wie das Leben normalerweise ist und für uns in diesem kommenden Winterrrrrr in Deutschland wieder sein. Das Denken daran tut mir (noch) nicht gut. Aber mit den zu erwartenden Aufgaben wird es sicher besser. Nur wie wird es sich anfühlen ohne Schiff, wenn wir jetzt schon immer spätestens nach einer Woche Land wieder Meer brauchen? Gewöhnung, Entwöhnung - will ich das? Es gibt viel zu tun um LIZA in Kanada zu registrieren. Bürokratie ist überall. Ich soll hier wieder Scheine machen, um nachzuweisen, dass ich segeln kann. Wen interessiert da, ob wir um die halbe Welt gesegelt sind... Das Meer und der Wind haben mich gelehrt, demütig zu sein. Wenn ich nicht als Einsiedler in den kanadischen Wäldern mit der Axt in der Hand überleben will, muss ich den Staffellauf mitmachen. Und die Herausforderung annehmen, mich aufzuteilen in deutsch-kanadisches Landleben und kanadisch-karibisches Meerleben. Für und mit Familie und ein paar Freunden schaff ich das globale Leben. Ich bin nicht allein mit diesem Spagat.