Dienstag, 30. April 2013

Auch die Stacheln sind gut

Den 30.4. werde ich im Leben nicht vergessen. Ein Rausch von morgens bis abends. Dank meiner Kapitana, die einen 7. Sinn dafür hat, wo es schön ist und vor Wind und Welle geschützt. Ich wollte eigentlich wieder in die "Zivilisation", aber Monika hat mich überredet, noch mal zu segeln, dann den Anker in einer noch verrückteren Bucht fallen zu lassen. Damit wir nicht hungern müssen, hat sie zwei Brote gebacken und ein Glas eingekochtes Fleisch geöffnet, das sich ohne Kühlung 4 Wochen gehalten hat. Diese alte Methode von Muttern öffnet ganz neue Möglichkeiten der Vorratshaltung. Ich bin dann noch mal mit dem Kajak los und mühsam durch die Kakteen auf den Berg gestiegen. Der Ausblick hat mich schier umgehauen. Ich hätte da oben vor Freude schreien können inmitten der Kakteen, Raubvögel und Kolibries, bei diesem Ausblick, weit und breit kein Schiff, nur LIZA. Es ist nicht zu fassen, wie ein Stromschlag, den ich zum Aufwachen brauchte. Es gab einige Dämpfer in den letzten Wochen, die nicht gerade dazu ermunterten, nach Kanada aufzubrechen. Aber jetzt ist die Entscheidung gefallen, es gibt kein Zurück, kein Hierlassen des Schiffes, wie die meisten Kanadier es machen: bis zum nächsten Winter an Land stellen und mit Gurten gegen Hurricanes sichern. In Kanada wird es schwer, einen Liegeplatz zu bekommen. Avisierte Marinas sind geschlossen, andere demzufolge übervoll. Auch ist unsere für die Einreise nach Kanada für Immigranten notwendige Permanent Resident Card nicht angekommen. Wir regeln gerade mit Anwalt-Hilfe, wer schuld daran ist und ob wir trotzdem einreisen können. Auch wenn es alles schwieriger sein sollte mit Schiff & Co, wir gehören dort dieses Jahr mit unserer LIZA erst einmal hin, möchten zu zweit den Anker im River Inhabitants Basin vor dem Haus fallen lassen, und alles wird irgendwie zu schaffen sein. Punkt.

ist das nicht berauschend? (zum Vergößern anklicken)

gut geschützt, hier gehen auch die Ziegen nicht dran

dafür aber die Kolibries "ohne anfassen"






Schützt die Riffe

Nun sind wir doch wieder in einer wunderschönen Bucht "hängen geblieben". Wir müssten dringend einkaufen, aber da kann man doch nicht dran vorbei fahren. Einen ganzen Tag waren wir allein, konnten schnorcheln bis zum Abwinken. Monika hat gesagt, schon allein wegen dieser wunderschönen Riffe möchte Sie wieder in die Karibik kommen. Tja, und dann gegen Abend fielen die Charterchiffe ein. Ein Moorings- und Sunsail Schiff nach dem anderen. Und - es tut einem in der Seele weh: statt wie wir die Bucht immer nach großen Sandstellen absuchen oder tauchen, kümmern sie sich einen Dreck um die in jeder See-Karte eingetragenen Riffe, die man sogar von Bord aus bestens sehen kann. Der Anker wird mitten in die Korallen geworfen, als ob sie nicht schon genug unter der Klima- und Wassererwärmung und den zunehmenden tropischen Stürmen leiden. Anfangs schwimme ich noch rüber oder rufe, dass da ein Riff ist. Manche drehen ab, aber irgendwann kann und will ich mich nicht mehr darum kümmern.
Es sind auch nicht nur Chartercrews, aber sehr oft Franzosen. Ich sag dazu nichts mehr. Früher, als ich meine Tauchscheine gemacht habe, wurde von den Prüfern darüber gelästert, woran man eine französische Tauchgruppe im Riff erkennt. Es gibt wohl doch ein paar Grundwahrheiten. Ich bin so traurig über dieses Verhalten und will jetzt doch noch auf der nächsten Insel St. John sehen, wie die Amerikaner damit umgehen. Es soll schmerzhafte Strafen geben, wenn man dort in Riffen ankert, bzw. es ist sowieso fast überall verboten, weil es überall Anker-Bojen gibt. Das ist dann die Kehrseite, aber vielleicht tut es den Riffen gut. Der Mensch ist einfach dumm, ignorant. Ich kann davor die Augen einfach nicht zumachen. Man kann es den Seglern ja sogar sagen, manche machen es trotzdem. Es steht in allen Führern, die kostenlos ausgegeben werden. Ich habe noch Hoffnung, dass das Bewusstsein sich doch ändert, wenn oft genug darüber gesprochen wird. Menschen wachen auf, verbinden sich mit den letzten Schönheiten der Erde, werden Leuchttürme, die so hell leuchten, dass andere sie auch hinter geschlossenen Lidern nicht ignorieren können und beginnen sich an diesem Licht zu wärmen und zu erhellen. Wir lassen uns nicht unterkriegen. Es klingt nur etwas zynisch, wenn ich sage, schaut euch die Riffe möglichst bald an, solange sie noch leben. Unseren Kindern wollen wir sie auf jedenfall noch allen dreien zeigen. Aber nicht nur ihnen, auch Euch am liebsten allen. Ich hätte nie gedacht, welche Energien frei werden, wenn man sich wirklich einem Traum verpflichtet und ihn lebt, sagte Janice, die für die Ruhe der Wale über den Atlantik ruderte und mächtig viel Medienrummel um die Wale machte. Sie will jetzt übrigens den Pazifik in aller Stille, in einem kleinen 7m Segelboot ersegeln, nicht mehr rudern und ohne Sponsoren. Es ist für jeden ein Ausbalancieren. Wie finde ich das, was ich suche, mit wem und wo. Wir haben es temporär gefunden und sind dankbar, dass es unseren background gibt, ein Zuhause. Ohne den hätten wir es nicht geschafft.

So, zum Abschluss für heute ein Bild von der Haulover Bucht, alle Charterschiffe sind schon wieder weg, wir haben die Stille wieder für uns. 

Haulover Bay, 360 Grad Rundumsicht. Rechts der Mitte das Dunkle sind Riffe, links davon Sand. bitte anklicken