Mittwoch, 10. April 2013

Heute ist morgen schon gestern

Wie lange könnte ich dieses Leben so aushalten? Nichts passiert außer dem was wir tun, geniessen oder denken und nicht denken. Niemand anerkennt unsere "Arbeit", kein Chef oder Kunde lobt uns. Was wir nicht bewusst erleben, ist für immer nicht gelebt. Monika hat mir die Augen dafür geöffnet: Wenn ich das Paradies festhalten will, indem ich es z. B. fotografiere für spätere Erinnerungen, lebe ich in der Zukunft , wenn ich mir die Bilder anschaue , sind sie Vergangenheit. Das vertreibt mich jetzt aus dem Paradies genauso wie das (be)schreiben. Ich bin jetzt mitten drin und kann es nicht fassen. Bin froh, dass wir es zu zweit wahr nehmen, Freude über Gesehenes teilen, aber aufnehmen kann ich es nur ganz allein und jetzt. Fast will ich flüchten in das bunte Treiben einer Stadt, brauche nur den Anker aus seinem sicheren Grund zu brechen, mich der Pflicht entziehen, mich jetzt hier mitten drin damit auseinander zu setzen, was ist und was ich fühle.
Ich will nicht mehr nach Worten suchen, habe zum ersten Mal wieder Sehnsucht danach, das JETZT in Tönen, in Lieder ohne Worte, in Musik sprechen zu lassen. Was wäre, wenn ich jetzt hier meine Viola singen lassen würde, der Widerhall von den Felsen die Vögel, die Stille unterbricht, und wahrscheinlich die paar Langfahrtsegler stört, die im Gegensatz zu den Chartercrews keine Dauer-Musik an Bord laufen haben. Es ist seit Tagen kein Charterschiff hier, weil das Ankern mit Landleinen an den Riffs zu tricky ist.
"Meine" Musik gehört in den Konzertsaal - schade. Der Instrumentenlack würde schmelzen und mir wäre es auch zu heiß.
Alles hat seine Zeit und ich weiß, dass mein Landleben wieder kommen wird. Wenn man alles auf einmal will, ist das der sichere Weg ins Unglück. Ich bin froh und dankbar, dass ich jetzt hier sein kann, Zeit habe und nicht nur eine oder zwei Wochen Charter und dann wieder ab in die Firma muss. Alles hat seinen Preis, auch das Paradies. Und doch kann man es nicht kaufen. Die Insel hier ist (wie mein Vater schrieb) wohl zu kaufen, aber niemand kann mich daran hindern, hier meinen Anker in den Sandgrund einzugraben und erst wieder zu lichten, wenn das Paradies von Hurricanes heimgesucht wird, heftige Regen über die Inseln herfallen und das andere Gesicht hervor tritt. Wir werden immer wieder aus dem Paradies vertrieben. Ich will nicht traurig darüber sein, dass wir in wenigen Wochen aufbrechen müssen. Ich habe noch keine Lust auf die Bermudas. Auch wenn sie eine reizvolle Mischung aus britischen, mediterranen und karibischen Elementen sein sollen.
Noch bin ich hier, mag nicht planen, lass mir den jetzt angenehmen kühleren Abendwind um die Nase wehen und denke NICHTS. Punkt