Freitag, 21. Juni 2013

einsame Eastern Shore - auf dem Weg nach Cape Breton

Was macht diese Landschaft mit mir? Was ist es, was mich immer wieder
so berührt. Wenn ich morgens aufwache, die ersten Sonnenstrahlen die
kalten Knochen wärmen, sehe ich auf ein spiegelglattes kupferfarbenes
Wasser, unter dessen fast eintönig ruhiger Oberfläche sich die Hummer
tummeln. Gelegentlich wird diese unspektakuläre Besinnlichkeit durch
einen Eisvogelruf oder das Flügelschlagen eines Seeadlers
unterbrochen. Sonst nichts. Mehr noch: Nichts nichts. In mir auch
nichts - im besten Falle. Nur ein paar Gedanken, die in mir
herumkrebsen. Vorwärts, rückwärts, seitwärts. Frage mich, warum
Menschen so anstrengend sind, obwohl ich mich über Kontakte freue, sie
immer wieder suche. Je älter ich werde, um so stärker ist dieser
Widerspruch. Es ist nicht nur die Energie, die man an sie abgibt, z.T.
ja auch zurück bekommt, sondern vor allem die Lautstärke, mit der ihre
Probleme, Sorgen, und natürlich auch Freude(nfeste) nach aussen
dringen, dringend einen Spiegel suchen, eine Bühne, auf der sich ihre
Egos herumtummeln können. Es ist auch die tatsächliche Lautstärke, die
mich schwerhöriger macht. Ich kann in Gruppen einen einzelnen Sprecher
nicht mehr so herausfiltern, darauf fokussieren. Es ist ein Lärm wie
in einem Sinfonieorchester, das gerade einstimmt. Jeder drauf los.
Hier in der Stille der menschenleeren Südostküste einer Insel, an der
das "moderne" Leben einfach vorbeigegangen ist, öffnet sich das Herz,
die Ohren, ich kann in einem Kilometer Entfernung einen Biber an Land
schleichen hören, oder eine einzelne Mücke, die von Land herüber zum
Schiff kommt und ihre Beute sucht. Es gibt wenige, sehr wenige
Menschen, mit denen ich diesen Frieden teilen kann und mag, vor allem
fühlen kann. Denn mitteilen, reden ist schon zu laut. Schreiben geht,
am liebsten geräuschlos mit dem Füller. Eine leere Seite vor mir
füllen, horchen, was sie mir sagt, schauen, wie sie mich anstarrt,
verlangt, dass ich in Worten begreiflich mache, was ich fühle. Ich
will nicht denken, nur fühlen, mich eins fühlen mit der Natur, mit dem
Universum, mit der Hand voll Menschen, die mir nahe sind. Nicht
materialisieren, indem ich niederschreibe. Es ist gleichzeitig
Faulheit, nicht konkretisieren zu wollen, im Nebel der Gefühle zu
bleiben. Das Wesentliche lässt sich jedoch nicht beschreiben. Wie will
ich die zarte Wärme der Sonne auf meiner Haut beschreiben, die den Weg
durch den Morgen-Nebel nicht finden kann, mich trotzdem wärmt, weil
ich mir vorstelle, wie warm sie sein kann. Es hat alles nichts mit der
äußeren Realität zu tun. Um meine eigene zu beschreiben, bin ich nicht
wichtig genug. Wenn ich schreibe, sind das Spuren im Sand, die
vielleicht jemand verfolgt, überrascht, dass jemand anders auch hier
war. Aber wenn du dich umschaust, sind sie schon wieder vom Meer
weggespült. Wie Töne, die sich aufschwingen, und im selben Moment
schon wieder verklingen, anderen Platz machen, um Seelen zu erreichen.
Ich vermisse die Musik, bzw. vor allem, dass sie mir das nicht mehr
gibt und ich sie nicht mehr geben kann. Sie ist mir zu laut geworden.
Sie passt nicht mehr in mein Leben. Nur ausnahmsweise auf ein paar
Stunden beschränkt - leise, minimal music. Ob ich seltsam bin oder
werde hier in den kanadischen Wäldern und Meeren? die Antwort ist mir
egal. Ich muss nicht kompatibel sein. Jedenfalls nicht so bald. Hier
finde ich etwas, das kompatibel ist zu mir.


Die einzige Ruhestörung morgens um 6 die Hummerfischer beim Körbe-Leeren

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