Immer wieder wird erzählt, Katamarane würden "gegen den Wind" schlecht segeln. Es sei besser, vom Kurs/Ziel abzufallen und dafür den "Umweg" mit höherer Geschwindigkeit wieder wett zu machen.
Auf der Suche nach konkreten Infos bin ich bei Lagoon Insidern auf interessante Berechnungen gestoßen. Zum einen haben S. Lescaudron und M. Kermarek
ein Polar Diagram für Katamaran Lagoon 380 unter realen Bedingungen erstellt:
Beispiel rotes Kreuz X in der Grafik: bei fast halbem Wind von 80° sowie 10 Knoten Windgeschwindigkeit erreicht das Boot eine Geschwindigkeit von 6 Knoten. |
Da dieses Diagramm unter realistischen Bedingungen erstellt wurde, also bei 20 - 24 Knoten Wind das 1. Reff ins Großsegel , dann bei 24 - 26 Knoten zusätzlich die Genua um 30% verkleinert, ergibt sich die deutlich sichtbare Beschleunigung zwischen 110° und 120° Windeinfallsrichtung aus der Wirkung der Genua, die mit 70% Größe bis 26 kn Wind stehen gelassen wurde. Darüber hinaus weitere Werte zu erstellen machte keinen Sinn, weil Welle, und Abdrift zu sehr beeinflusst hätten.
Welche Konsequenzen ergeben sich für uns aus dem Diagramm?
Mir fällt auf, dass eine Zunahme der Windgeschwindigkeit von 20 auf 25 knoten hoch am Wind ( bis 70°) kaum Unterschied macht in der Bootsgeschwindigkeit , umso mehr aber bei raumen Winden ab 100°. Interessant ist der Aspekt, dass raumschots ab 120° bis 160° die Geschwindigkeit deutlich abnimmt, je achterlicher der Wind einfällt. Das erklärt sich aus dem stark abnehmenden Vortrieb der Genua, die zunehmend in den Windschatten des Großsegels gerät. Es lohnt sich also, wie es die Gewinner der ARC-Rally (Lagoon 560 Blue Ocean) auch getan haben, gelegentlich vor dem Wind zu kreuzen. Ferner wird sich ein leichtes Abfallen auf 50-60 Grad vom Wahren Wind lohnen. (Das sieht auf dem Windinstrumemt an Bord nach etwa 30° aus, weil der scheinbare Wind wegen der zunehmenden Geschwindigkeit mehr von vorne kommt)
Um zu berechnen, mit welchem Winkel zum Wind ich mich möglichst effizient einem Ziel voraus nähere, ziehe ich die Formel der "Racer" hinzu, die den optimalen Vortrieb oder genauer die effizienteste Annäherung oder Vortrieb (auf engl. Velocity Made Good = VMG) wie folgt berechnet:
VMG(Vortrieb) = Bootsgeschwindigkeit multipliziert mit dem Cosinus des Winkels zwischen dem wahren Wind (True wind) und dem Winkel des Bootes zum wahren Wind (Angle to wind, Alpha)
Betrachten wir in der Grafik unten 3 Beispiele: der wahre Wind kommt hier immer von "oben", aus 0°. Dort will ich hin, kann aber natürlich nicht genau gegen den Wind segeln, sondern nur in einem gewissen Winkel hoch am Wind, hier in den drei Beispielen 40°, 50° und 60°
linkes Beispiel: wenn ich im Winkel von 40 Grad zum wahren Wind fahre, ergibt die Berechnung mit der Formel
VMG: 4 x cos (40) = 3,06 Knoten. (auf dem Taschenrechner 4* 40 cos = ...)
Wenn man im mittleren Beispiel mit einen Winkel von 50° zum Wind und einer daraus in der Praxis resultierenden höheren Boots-Geschwindigkeit von 5,2 Knoten rechnet, ergibt sich ein VMG von 3,34 Knoten, also obwohl ich von der Zielrichtung weiter abfalle, nähere ich mich ihr insgesamt schneller. Für einen Winkel von 60° jedoch ist der VMG wieder ungünstiger.
Quelle: Lagoon |
Diese Berechnungen sind natürlich nur ein Anhaltspunkt, in der Realität müssen noch Abdrift etc. mit kalkuliert werden. Es wird dann auch nicht mit der "Tachogeschwindigkeit" gerechnet, sondern mit SOG, also Geschwindigkeit über Grund und COG (Kurs über Grund).
FAZIT: Um ein Ziel hoch am Wind zu erreichen, empfiehlt sich laut Polar-Diagramm auf 70-80 Grad vom wahren Wind abzufallen und mit der daraus resultierenden Geschwindigkeit den VMG genauer anzupassen. Der optimale Winkel wird dann mit Ausgleich der Abdrift bei etwas unter 50 Grad zum wahren Wind liegen.
Laut YACHT sehen die Testergebnisse für die Lagoon 380 übrigens so aus:
Auch hier rechts zeigt sich, dass die nicht so guten Segel-Eigenschaften vor dem Wind für ein gutes Downwindsegel sprechen, z.B. einen Parasailor.
Ohne die "Düsenwirkung" zwischen Fock und Groß sowie dem "Tragflächen-Auftrieb" an der Segel-Aussenseite fehlt dem Segelvergnügen doch einiger Antrieb.
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